In Berlin erhalten diejenigen die Ehrenamtskarte, die sich in den vergangenen fünf Jahren mindestens 10 Stunden im Monat oder 120 Stunden im Jahr ehrenamtlich engagiert haben und vorhaben, ihr Engagement fortzusetzen.
Sonja Arens übergab mir die Ehrenamtskarte beim Arzt-Patienten-Dialog im DRK Klinikum Westend. Danke dafür! Irgendwie schon komisch für mich eine Ehrung in dieser Form erhalten zu haben, aber Anlass genug, fünfzehn Jahre Revue passieren zu lassen. Wir sind fröhlich, wenn wir uns treffen, das Lachen wohnt gleich neben dem Weinen, es gab Abende, da habe ich mich, bei aller Ernsthaftigkeit, einfach nur weggepackt. Ich habe einen Ausschluss aus der Gruppe erlebt, auch die Verabschiedung einer Referentin noch bevor deren Vortrag zu Ende war, weil sie sich nicht an die Abmachung keine Verkaufsveranstaltung zu machen, gehalten hatte. Unzählige, viele lustige Abende, genauso viele, die vom Leid der Betroffenen getragen waren. Weihnachtsfeiern, Sommertreffen, leider auch ein trauriger Fall, lachen und weinen gehören einfach zusammen, wohnen nebeneinander.
Eine Selbsthilfegruppe gründet niemand einfach so, sondern weil man das Gefühl hat, dass Bedarf besteht, sich live und in Farbe real im Angesicht zu Angesicht auszutauschen. Internet war damals noch rar, wer hatte schon einen PC, ganz zu schweigen davon, dass es noch keine Flatrates gab und die Suche nach Hilfe und Selbsthilfe hatte eine andere Qualität. Ich selbst erinnere mich dunkel daran, dass ich, nachdem ich die Diagnose hatte, auf der Suche nach Information irgendwo im Norden unserer Republik deswegen angerufen hatte, um mir zusätzliche Informationen zu beschaffen. Einem blöden Umstand war es zu verdanken, dass ich die endgültige Diagnose MC durchs Telefon erhalten hatte. Für mich war das okay, da beim persönlichen Termin davor schon klar war, dass es entweder MC oder CU war. Die Frau am Telefon rief dann voller Entsetzen aus „Ohje, Sie Arme, dann machen Sie sich mal auf Operationen und dieses oder jenes gefasst!“. Das war Anfang 1997. Zum Glück bringt mich so schnell nichts aus der Ruhe, aber irgendwie fand ich den Auftritt am Telefon „sehr gelungen“ und das blieb dann auch haften, operiert bin ich trotz des unruhigen Verlaufs bis heute nicht und gehe als unerschütterliche Optimistin davon aus, dass das auch so bleibt, wohlwissend, dass ich das Blatt sehr schnell wenden kann.
Dann war es soweit, nachdem ich mich eine Weile schon informiert hatte, Vorarbeiten geleistet und einen Raum gefunden habe, fand am zweiten Dienstag im Mai 2001 das erste Treffen statt und Jan, der damals da war, saß gleich mit im Boot, aus dem er leider irgendwann mal wieder ausgestiegen ist. Im Laufe der Jahre mauserte sich die Gruppe, hatte irgendwann auch einige Rückschläge zu verkraften und erlebt gerade wieder eine kleine Renaissance. Ich muss zugeben, dass es Spaß macht ab, und an Referenten für die Gruppe zu suchen, nicht nur Mediziner, auch Therapeuten kommen zu Wort, und die ohne jedes Honorar zu uns kommen. Okay sie bekommen eine Tasse Kaffee oder Tee und müssen meinen selbstgebackenen Kuchen ertragen, was inzwischen schon zu einer kleinen Tradition geworden ist. Ich freue mich immer auf den 2. Dienstag im Monat, auf jede, auf jeden, der oder die zur Gruppe gehört oder neu dazu kommt.
Was ich insgesamt kritisiere und absolut nicht verstehe, ist die mangelnde Bereitschaft in die DCCV einzutreten, bei der Anzahl an betroffenen Menschen in unserem Land könnten es deutlich mehr sein. Dafür, was die Vereinigung während der letzten fünfzehn Jahre geleistet hat, lohnt sich der Beitrag in Höhe von 60 Euro p.a. absolut, vor allem bezahlt man in dem Beitrag auch für eine Rechtschutzversicherung, die dann eintritt, wenn man Probleme in sozialen Lebensbereichen hat. Günstiger geht das nimmer. Ich weiß das, denn ich habe diese bereits zwei Mal in Anspruch nehmen müssen, einmal gegen das Landesversorgungsamt, das andere Mal gegen die RV. Ich weiß nicht warum Menschen zögern in die Vereinigung einzutreten. Sie ist nicht politisch, auch wenn sie harte Lobbyarbeit leistet, ohne die wir an manchen Stellen schon ganz schön alt ausgesehen hätten, weil Gesetze und Verordnungen zu unserem Nachteil beschlossen worden wären oder sind, die dann zumindest zum Teil oder komplett korrigiert werden konnten. Es geht nicht darum, den Bauchredner zu drucken, die APs mit den Ärzten zu gestalten, sondern darum, sich dem Gesetzgeber gegenüber für uns einzusetzen, uns dort zu vertreten, wo Schreibtischaktivisten sich irgendetwas austüfteln, ohne an die Konsequenzen für betroffene, erkrankte Menschen zu denken Solche Schreibtisch-Akrobaten würden uns, ohne diese Lobbyarbeit in einen Kreisverkehr ohne Ausgang schicken. Die Vereinigung vergibt Stipendien für Forschungsprojekte, die dazu dienen sollen, des Rätsels Lösung der CED näher zu kommen, dass sie irgendwann geheilt werden wird. Dass man hier an diesen 60 Euro p.a. spart, will mir nicht in den Sinn. Natürlich weiß ich, dass 60 Euro viel Geld sein können, aber für diesen Fall kann man sich an die Geschäftsstelle wenden. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Gespräch ein, dass ich vor Kurzem, da war es noch Sommer, mit einem Mitglied der Gruppe hatte, das ich sehr schätze und das auch, so ihr das möglich ist, aktiv unterwegs ist. Wir waren außerhalb des Gruppenabends auf einen Kaffee und sie sagte, dass alles im Leben ein Geben und ein Nehmen ist und da ihr geholfen wurde, wäre es jetzt nun so, dass sie geben möchte. Ich meine darin liegt eine Menge Wahrheit, das Leben ist Geben und Nehmen. Da ist etwas Wahres dran.
Eine SHG zu besuchen ist mehr als Informationen im Internet zu sammeln, ist Ergänzung zu den Arztgesprächen, die auch heute noch nicht immer traumhaft sind. Jeder, der in eine SHG geht, hat eine andere Art und Weise mit „seiner“ Krankheit umzugehen, kann Wissen erfahren, bekommt Tipps, kann über sich genauso wie über andere lachen, diskutieren was geht und was nicht und kann auch seine Erfahrung weitergeben, es ist ein Geben und ein Nehmen.
Fünfzehn Jahre und ich möchte keins missen.